GF-Versicherung als Alternative?

Grundfähigkeitsversicherung oder Berufsunfähigkeitsversicherung?

Die finanzielle Absicherung für den Fall des Verlusts der eigenen Arbeitskraft ist für Arbeitnehmer und Selbstständige gleichermaßen wichtig. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung erfüllt diese Aufgabe am besten – eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung eher nur notdürftig.

Doch dann gibt es noch die Grundfähigkeitsversicherung. Und mancher Vertreter der Versicherungsbranche wird nicht müde, diese als echte Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung anzupreisen.

Das Fatale daran: Die Grundfähigkeitsversicherung leistet nur, wenn eine der vertraglich fixierten Grundfähigkeiten verlorengegangen ist. Ein Verlust der Arbeitskraft bleibt dabei völlig unberücksichtigt. Deshalb beleuchten wir die Fakten nachfolgend etwas genauer.

Wann leistet eine Berufsunfähigkeitsversicherung?

Die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt die vereinbarte monatliche Rente, wenn die versicherte Person berufsunfähig ist – also (vereinfacht ausgedrückt), wenn sie ihre zuletzt, in gesunden Tagen ausgeübte berufliche Tätigkeit infolge irgendeiner Krankheit oder irgendeines Unfalls nicht mehr zum vereinbarten Prozentsatz (meist 50 %) ausüben kann.

Es wird also genau geprüft, welche Teiltätigkeiten mit den gesundheitlichen Beschwerden noch zumutbar sind und welche Teiltätigkeiten nicht mehr bzw. nur noch eingeschränkt ausgeübt werden können.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung springt also genau dann ein, wenn Job und Einkommen aus gesundheitlichen Gründen verloren gehen.

Diese Berücksichtigung der Auswirkungen gesundheitlicher Beschwerden auf die konkret ausgeübte Berufstätigkeit macht die Berufsunfähigkeitsversicherung so wertvoll und einzigartig.

Wann leistet eine Grundfähigkeitsversicherung?

Die Grundfähigkeitsversicherung zahlt die vereinbarte monatliche Rente, wenn der Versicherte eine vertraglich vereinbarte Grundfähigkeit (wie z. B. Sehen, Hören, Sprechen, Gebrauch der Arme, Gebrauch der Hände, Gehen und Treppensteigen, Stehen, Knien und Bücken usw.) im definierten Umfang verloren hat.

Bei der Leistungsprüfung bleibt also völlig ungeprüft, ob und in welchem Umfang die berufliche Tätigkeit mit den gesundheitlichen Einschränkungen noch ausgeübt werden kann.

In der Mehrzahl der Fälle wird der Versicherte Job und Einkommen verlieren, ohne eine der versicherten Grundfähigkeiten zu verlieren. Im Einzelfall kann auch eine Leistung erfolgen, obwohl der Versicherte seiner beruflichen Tätigkeit noch nachkommen kann.

Es ist also eher zufällig, wenn eine Grundfähigkeitsversicherung bei Eintritt einer Berufsunfähigkeit zahlt.

Die Grundfähigkeitsversicherung zur vermeintlich berufsspezifischen Kundenansprache

Durch die ausufernde Berufsgruppendifferenzierung der Versicherer ist zwar die Berufsunfähigkeitsversicherung für Ingenieure und Bürofachkräfte immer preiswerter geworden – für körperlich Tätige aber umso teurer.

„Clevere Versicherungsverkäufer“ haben sich nun überlegt, welche Grundfähigkeiten in welchen Jobs benötigt werden und empfehlen dann eine Grundfähigkeitsversicherung, in der diese Fähigkeiten mitversichert sind.

Beispiel: Fliesenleger

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung für Handwerker ist oft teuer. Da beispielsweise Fliesenleger häufig gebückt oder auf den Knien arbeiten, sollten – entsprechend oben genannter Überlegungen – bei ihnen also die Fähigkeiten Knien und Bücken zur berufsspezifischen Kundenansprache genutzt werden.

In den Bedingungen zur Grundfähigkeitsversicherung wird aber klar geregelt, wann eine Grundfähigkeit als verloren gilt, z. B. so oder so ähnlich:

Beispiel KörperSchutzPolice der Allianz Lebensversicherungs-AG (Stand 06/2020)
Die versicherte Person ist nicht mehr in der Lage, sich aus eigener Kraft zu bücken oder hinzuknien, um den Boden zu berühren, und sich danach wieder aufzurichten.
Beschwerden, die zu diesen motorischen Einschränkungen führen, müssen durch entsprechende krankhafte Befunde erklärbar sein.

Und da haben wir das Problem: Fliesenleger sind bereits berufsunfähig und geraten in finanzielle Not, wenn sie sich die sonst übliche Zeit nicht mehr hinknien bzw. bücken und wieder aufstehen können. Die Grundfähigkeitsversicherung leistet jedoch erst, wenn der Versicherte dies kein einziges Mal kann.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich Handwerker dabei auch nicht abstützen können, weil sie in ihren Händen noch Materialien oder Werkzeuge zu halten haben.

Beispiel: Koch

Bekanntlich sind Köche, Konditoren und auch Sommeliers zur Ausübung ihres Berufs auf einen feinen Geschmacks- und Geruchssinn angewiesen. Da die Baloise Lebensversicherung AG Deutschland die Grundfähigkeiten „Riechen und Schmecken“ in ihren Leistungskatalog aufgenommen hat, soll dieser Tarif in diesen Berufsgruppen punkten. Aber Sie ahnen es vielleicht schon: Diese Grundfähigkeiten gelten als verloren, wenn die versicherte Person nicht mehr

  • Menthol oder Essig riechen,
  • Glucose oder Zitronensäure schmecken und
  • ein wissenschaftlich anerkannter Test den Verlust des Geruchs- und Geschmackssinnes belegt.

Aber auch die hier anvisierte Zielgruppe dürfte schon deutlich eher den Job verloren haben.

Beispiel: Berufskraftfahrer

So mancher Vertreter der Versicherungsbranche sieht auch in der Mitversicherung des Verlusts der Fahrerlaubnis eine Aufwertung eines Tarifs. Schließlich führt schon eine Einbuße der Sehkraft um mehr als 50 % zum Verlust der Fahrerlaubnis für einen PKW, während die Fähigkeit „Sehen“ häufig erst ab einem Sehkraftverlust von 95 % als verloren gilt.

Das mag alles korrekt sein. Ob eine solche Grundfähigkeitsversicherung dadurch für Berufskraftfahrer wirklich interessant wird, darf bezweifelt werden. Denn in der gesamten Bundesrepublik wird jedes Jahr nur knapp 1500 Autofahrern die Fahrerlaubnis wegen körperlicher oder geistiger Mängeln entzogen. Und in den meisten Fällen dürften davon Autofahrer jenseits des gesetzlichen Renteneintrittsalters betroffen sein. Die Absicherung von Grundfähigkeiten ist aber nur bis zum 67. Lebensjahr möglich.

Prüfen Sie bei einer Grundfähigkeitsversicherung also sehr genau, ob die versicherten Fähigkeiten wirklich ausreichend sind, um Sie im Falle des Verlusts Ihrer Arbeitskraft abzusichern. Und bedenken Sie auch: Sollten Sie berufsunfähig werden, ohne eine versicherte Grundfähigkeit zu verlieren, müssen Sie die Beiträge trotzdem weiterbezahlen, um den Versicherungsschutz nicht noch gänzlich zu verlieren.

Wenn eine Grundfähigkeitsversicherung als Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung angepriesen wird, dann mag das mit Blick auf die Provision bzw. Courtage des Vermittlers durchaus richtig sein. Für den Versicherten ist der löchrige Versicherungsschutz einer Grundfähigkeitsversicherung dagegen meist nur eine Notlösung – auch wenn der Begriff „Notlösung“ nicht zwingend verkaufsfördernd ist.

Unser Angebot

Sollten Sie

  • bereits Vorerkrankungen erlitten haben,
  • jetzt einen als risikoreich eingestuften Beruf ausüben oder
  • ein gefährliches Hobby betreiben

und Ihnen der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung dadurch teuer oder sogar unmöglich erscheinen, dann können wir versuchen, die Kosten zu senken oder mit einer Risikovoranfrage bei verschiedenen Versicherern prüfen, zu welchen Konditionen der Abschluss doch noch möglich wäre. Klappt das nicht, können Sie sich immer noch für eine Notlösung entscheiden.

Bitte denken Sie dann nach diesen gesammelten Erfahrungen auch an Ihr Kind. Ersparen Sie ihm solche Probleme. Gute Berufsunfähigkeitsversicherungen für Schüler gibt es bereits ab einem Alter von 6 Jahren. In diesem Alter ist der Abschluss meist noch problemlos und preiswert möglich. Selbst mit einer kleineren versicherten BU-Rente können Sie Ihrem Kind dauerhaft niedrige Beiträge sichern – mit dem richtigen Tarif auch für spätere Erhöhungen.

Wann ist eine Grundfähigkeitsversicherung denkbar?

Die Grundfähigkeitsversicherung kommt aus dem angelsächsischen Raum und wurde im Jahr 2000 erstmals in Deutschland angeboten. Sie leistet eine monatliche Rente, wenn bestimmte, in den Versicherungsbedingungen fixierte Grundfähigkeiten im definierten Umfang verloren gegangen sind – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Sie ist damit sinnvoll für diejenigen, die sich keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung leisten können und sich wirklich nur für den Fall absichern wollen, dass sie eine oder mehrere der versicherten Grundfähigkeiten verlieren.

Vorstellbar wäre das beispielsweise bei Menschen mit genetischer Disposition (mit erblich bedingter Anlage bzw. Empfänglichkeit für bestimmte Erkrankungen), sofern diese Erkrankungen auch häufig zum zeitigen Verlust von Grundfähigkeiten führen. Allerdings dürfen diese Krankheiten auch beim Abschluss der Versicherung noch nicht diagnostiziert worden sein. Dann ist aber auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung meist noch abschließbar und bezahlbar.

Wie oft Menschen in Deutschland vor Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters versicherbare Grundfähigkeiten wirklich verlieren, verraten die Versicherer nicht – obwohl ihnen diese Zahlen zur Kalkulation der Tarife vorliegen sollten. Das erschwert sowohl Verbrauchern als auch Vermittlern die Einschätzung über den Nutzen einer Grundfähigkeitsversicherung enorm.