abstrakte Verweisung

Verzicht auf abstrakte Verweisung

Eine gute Berufsunfähigkeitsversicherung springt finanziell ein, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit nicht mehr ausüben kann. Doch mit Hilfe einer abstrakten Verweisung kann ein Versicherer die Leistung verweigern, wenn die versicherte Person trotz ihrer gesundheitlichen Beschwerden noch eine andere Tätigkeit ausüben könnte, die ihrer Ausbildung und Erfahrung sowie ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Deshalb ist eine private Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll, wenn der Versicherer auf sein abstraktes Verweisungrecht verzichtet.

Unser Vergleich listet Tarife mit Verzicht auf abstrakte Verweisung auf. Denn Ihr BU-Schutz soll nicht nur preiswert sondern auch zuverlässig sein.

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Woran erkennt man eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit Verzicht auf abstrakte Verweisung?

Versicherungsunternehmen definieren Berufsunfähigkeit durchaus unterschiedlich. Deshalb ist es wichtig, die exakte Formulierung in den Versicherungsbedingungen nachzulesen.

Eine für den Verbraucher ungünstige Definition lautet z. B.:

Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens 3 Jahre außerstande ist, seinen zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübten Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

An der Ergänzung „oder eine andere Tätigkeit auszuüben“ erkennen Sie, dass kein Verzicht auf abstrakte Verweisung vorliegt. Damit kann die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente verweigert werden, wenn es nachweislich einen gleichwertigen Beruf gibt, in dem der Versicherte trotz seiner gesundheitlichen Beschwerden noch arbeiten könnte.

Warum ist der Verzicht auf abstrakte Verweisung so wichtig?

Der Verweisungsberuf muss zwar der bisherigen Lebensstellung (d.h. der sozialen Wertschätzung und dem finanziellen Einkommen) des Versicherten entsprechen, die konkrete Arbeitsmarktlage bleibt jedoch unberücksichtigt. Der Versicherer kann die Leistung also auch dann verweigern, wenn die versicherte Person keine solche Tätigkeit angeboten bekommt. Das Arbeitsmarktrisiko trägt hier vollständig der Versicherte!

Aus diesem Grunde spricht man hier von einer abstrakten Verweisung. Das Versicherungsunternehmen stellt lediglich fest, dass es unter den o.g. Voraussetzungen noch einen Beruf gibt, den die versicherte Person ausüben könnte. Dies erscheint uns nicht akzeptabel. Deshalb empfehlen wir jedem Interessenten, den Verzicht auf abstrakte Verweisung zu überprüfen.

Eine für Sie günstige Variante mit Verzicht auf abstrakte Verweisung liest sich beispielsweise so:

Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgestaltet war, auszuüben. Wir verzichten auf eine abstrakte Verweisung.

Der Verweisungsverzicht zeigt sich schon daran, dass die Formulierung „oder eine andere Tätigkeit...“ fehlt. Der Nachsatz „Wir verzichten auf eine abstrakte Verweisung.“ bringt dies dann nochmals verbraucherfreundlich und eindeutig zum Ausdruck – wäre aber gar nicht mehr erforderlich gewesen.

Von einigen Vertretern der Versicherungswirtschaft wird zwar manchmal immer noch argumentiert, dass die Forderung des abstrakten Verweisungsverzichts insbesondere bei Personen mit stark spezialisiertem Beruf unnötig wäre, da die hohe Spezialisierung eine Verweisung nahezu unmöglich machen würde. Dann dürfte es im Umkehrschluss aber auch für die Versicherungsgesellschaft kein Problem darstellen, bei diesen spezialisierten Berufen auf die abstrakte Verweisung zu verzichten!

Aber was gilt, wenn die versicherte Person bei Eintritt der Berufsunfähigkeit gar nicht berufstätig war?

Viele Berufstätige scheiden vorübergehend oder manchmal auch endgültig aus ihrem Berufsleben aus (z. B. wegen Elternzeit, Pflege von Angehörigen oder auch Arbeitslosigkeit). Auch in solchen Phasen können Krankheit oder Unfall eine Rückkehr in den zuletzt ausgeübten Beruf verhindern. Aber nicht alle Gesellschaften prüfen die Berufsunfähigkeit dann noch anhand des zuletzt ausgeübten Berufs. Deshalb ist wichtig, ob und wie lange der Verzicht auf abstrakte Verweisung auch nach Ausscheiden aus dem Berufsleben noch gilt. Einige Versicherungen machen hierzu keine Angaben, andere verzichten dann noch 3 Jahre, 5 Jahre oder idealerweise dauerhaft auf die abstrakte Verweisung.

Beispiele aus der Praxis

  1. Mit der Zumutbarkeit einer abstrakten Verweisung hatte sich das OLG Nürnberg (Az. 8 U 266/13) zu befassen. Eine gelernte und in einer Arztpraxis geringfügig beschäftige Arzthelferin wurde unstrittig zu mindestens 50% berufsunfähig, da sie eine panische Angst vor ansteckenden Krankheiten entwickelte. Der BU-Versicherer verwies sie darauf hin auf eine verwaltende Tätigkeit in einer Krankenkasse oder Klinik.
    Während das LG Nürnberg dem Versicherer zustimmte, verneinte das OLG die Zumutbarkeit. Zwar schütze die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht vor den Unwägbarkeiten des Arbeitsmarktes. Aber die Beweisaufnahme zeigte, dass es im Umkreis keine diesbezügliche, geringfügige Beschäftigung gab.
    Im konkreten Fall sah das OLG einen Umzug in eine andere Stadt als unzumutbar an und begrenzte die maximal zumutbare Entfernung für ein Pendeln zwischen Wohnort und Arbeitsstätte auf 40 km.
  2. In einem anderen Fall versuchte ein Versicherer, einen berufsunfähig gewordenen Betriebsschlosser auf die Tätigkeit eines Hausmeisters zu verweisen. Allerdings versäumte der Versicherer dabei, die prägenden Merkmale dieser Tätigkeit (übliche Arbeitsplatzverhältnisse, Arbeitszeiten, Entlohnung, erforderliche Fähigkeiten und/oder körperliche Voraussetzungen) anzugeben.
    Das OLG Hamm (Az.: 20 U 178/16) stellte klar, dass die Angaben zum Verweisungsberuf aber so konkret sein müssen, dass der Versicherungsnehmer die Möglichkeit hat, diese mit konkreten Beweisangeboten zu widerlegen.

Fazit

Verzichtet ein Versicherer bei der angebotenen Berufsunfähigkeitsversicherung nicht auf die abstrakte Verweisung, kann und wird er immer versuchen, einen möglichen Vergleichsberuf zu finden, um seine Leistungspflicht abzuwenden. Dadurch wird der Versicherungsschutz lückenhaft und zusätzlich verlängert sich auch die Leistungsprüfung. Im Extremfall muss noch ein Gericht klären, ob die Verweisung rechtens ist.

Deshalb berücksichtigt unser Vergleich nur Tarife, bei denen der Versicherer in Erst- und Nachprüfung auf sein abstraktes Verweisungsrecht verzichtet.

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