Erst- und Nachprüfung

Erstprüfung und Nachprüfung der Berufsunfähigkeit (BU)

Schriftzug: Erst- und Nachprüfung Wer berufsunfähig geworden ist und eine Berufsunfähigkeitsrente erhalten will, muss einen Leistungsantrag stellen. Hierzu sind umfassende Angaben zum zuletzt ausgeübten Beruf und den gesundheitlichen Beschwerden einzureichen. Danach prüft die Versicherungsgesellschaft, ob der vereinbarte Grad der Berufsunfähigkeit erreicht ist, ab dem die Rente gezahlt wird.

Doch auch wenn die Versicherungsgesellschaft nach Abschluss der Erstprüfung ihre Leistungspflicht anerkennt und die vereinbarte Rente zahlt, kann sie im Nachprüfungsverfahren den Fortbestand der BU kontrollieren. Nachfolgend informieren wir über die bedeutungsvollen Unterschiede zwischen Erst- und Nachprüfung.

Erstprüfung

Nachdem der Versicherte einen Leistungsantrag gestellt hat, beginnt der Versicherer mit der Prüfung seiner Leistungspflicht (Erstprüfung). Dabei prüft er beispielsweise folgende Punkte.

  • Hatte der Antragsteller bei Vertragsabschluss alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortet?
    Stellt der Versicherer dabei eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht fest, kann er innerhalb der ersten 5 Jahre seit Vertragsbeginn vom Vertrag zurücktreten. Er ist dann nicht mehr zur Leistung verpflichtet, wenn Grund des Rücktritts und Ursache der eingetretenen Berufsunfähigkeit in einem Zusammenhang stehen.
    Kann der Versicherer innerhalb der ersten 10 Jahre seit Vertragsbeginn eine arglistige Täuschung nachweisen, wird er den Vertrag anfechten und muss keine Leistungen erbringen.
  • Ist die Ursache der Berufsunfähigkeit versichert?
    Wenn bei der Antragstellung bereits risikorelevante Vorerkrankungen bestanden haben, werden häufig Leistungsausschlüsse vereinbart. Grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind beispielsweise auch Gesundheitsschädigungen, die der Versicherte bei einem vorsätzlich begangenen Verbrechen oder Vergehen, dem Versuch eines vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens oder als Unruhestifter bei inneren Unruhen erlitten hat. Ist die BU durch eine ausgeschlossene Erkrankung oder ein nicht versichertes Ereignis eingetreten, bleibt die Gesellschaft leistungsfrei.
  • Wird der bedingungsgemäße Grad der Berufsunfähigkeit erreicht?
    Bei den meisten Tarifen ist eine mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit Voraussetzung für die Leistungspflicht des Versicherers. Den Nachweis muss der Versicherte erbringen und hierzu aussagekräftige Unterlagen zur Erkrankung, detaillierte Angaben zur Berufstätigkeit in gesunden Tagen sowie den Auswirkungen der Erkrankung auf die Berufstätigkeit einreichen. Hier entscheiden gelegentlich medizinische Gutachten über Leistung oder Nicht-Leistung.
  • Ist eine abstrakte oder konkrete Verweisung möglich?
    Die abstrakte Verweisung ist nur noch bei älteren oder nicht empfehlenswerten Tarifen möglich. Eine konkrete Verweisung ist auch bei guten Tarifen möglich – aber nur, wenn der Versicherte wieder eine Berufstätigkeit aufgenommen hat, die seiner bisherigen Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung entspricht.
    Ist eine Verweisung möglich, muss der Versicherer keine Leistungen erbringen.

Wichtig:

Bei der Erstprüfung trägt der Versicherte die Beweislast. Er muss nachweisen, dass er entsprechend den jeweiligen Versicherungsbedingungen berufsunfähig ist und alle hierfür erforderlichen Unterlagen auf eigene Kosten erbringen! Der Versicherer kann – dann aber auf eigene Kosten – weitere Nachweise und Gutachten über gesundheitliche und wirtschaftliche Verhältnisse fordern.

Nachprüfung

Während der Versicherer die vereinbarte Rente zahlt, darf er regelmäßig prüfen, ob die versicherte Person weiterhin berufsunfähig ist. Dabei handelt es sich um die sogenannte Nachprüfung. Im Rahmen dieser Nachprüfung darf der Versicherer auch einmal jährlich auf eigene Kosten umfassende Untersuchungen der versicherten Person verlangen. Damit soll geprüft werden, ob sich der Prozentsatz der Berufsunfähigkeit reduziert hat und möglicherweise keine Leistungspflicht mehr besteht. In der Praxis sind jährliche Untersuchungen aber eher selten, denn diese Untersuchungen und Gutachten kosten der Versicherungsgesellschaft auch Geld.

Will der Versicherer seine Leistungen einstellen, muss er dies nachvollziehbar begründen. Hierzu muss er die gesundheitlichen Zustände zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses und des jetzt vorliegenden Zustands vergleichen. Bei Behauptung eines verbesserten Gesundheitszustandes hat dies berufsbezogen zu erfolgen. Basis hierfür bleibt die Berufstätigkeit des Versicherten, so wie er diese „in gesunden Tagen“ ausgeübt hatte.

Ungeachtet dessen ist der Versicherte während der Leistungsphase aber verpflichtet, die Aufnahme bzw. Änderung einer beruflichen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen. Die Gesellschaft wird danach prüfen, ob die Leistungspflicht durch eine konkrete Verweisung beendet werden kann. Aber wenn die versicherte Person tatsächlich und aus eigenem Entschluss wieder eine Berufstätigkeit ausübt und diese ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, ist dies auch unproblematisch. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass der Begriff der Lebensstellung in den Versicherungsbedingungen nachvollziehbar und verbraucherfreundlich definiert ist.

Problematischer ist, wenn der Versicherte auch zur Meldung einer Verbesserung des Gesundheitszustands bzw. Minderung der Berufsunfähigkeit verpflichtet wird. Der Versicherte kann meist nicht abschätzen, ob sich der Gesundheitszustand wirklich gebessert hat. Häufig fühlen sich Betroffene nur deshalb besser, weil sie den belastenden Beruf nicht mehr ausüben und ihren Körper schonen konnten.

Wichtig:

Hat die Versicherungsgesellschaft ihre Leistungspflicht ohne zeitliche Befristung anerkannt, kann sie sich nur durch eine Nachprüfung von dieser Leistungspflicht befreien. In der Nachprüfung trägt die Versicherungsgesellschaft die Beweislast. Sie muss beweisen, dass die versicherte Person nicht mehr berufsunfähig ist. Hierzu gibt es nur zwei Möglichkeiten:

  1. Der Gesundheitszustand der versicherten Person hat sich nachweislich so weit verbessert, dass der für die Leistungen erforderliche BU-Grad nicht mehr erreicht wird.
  2. Die versicherte Person übt tatsächlich wieder eine Berufstätigkeit aus, die ihrer Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung (soziale Wertschätzung und Einkommen) entspricht.

Fehler, die der Versicherungsgesellschaft eventuell bei der Erstprüfung unterlaufen sind, können durch die Nachprüfung nicht korrigiert werden!

Der Trick mit dem befristeten Anerkenntnis

Das Versicherungsvertragsgesetz erlaubt es den Versicherern grundsätzlich, auch ein einmalig befristetes Anerkenntnis der Leistungspflicht abzugeben. Für den Verbraucher ungünstig daran ist, dass die Erstprüfung mit einem befristeten Anerkenntnis noch nicht abgeschlossen, sondern lediglich aufgeschoben wird.

Sofern in den Versicherungsbedingungen nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, muss der Versicherte nach Ablauf der Frist einen erneuten Leistungsantrag stellen und darin wieder seine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nachweisen. Ansonsten enden die Leistungen des Versicherers.

Verbraucherfreundlicher ist, wenn der Versicherer ausnahmslos auf befristete Leistungsanerkenntnisse verzichtet. Natürlich kann auch er später durch eine Nachprüfung den Fortbestand der BU prüfen. – Zum Einstellen der Leistungen muss jedoch er dann dem Versicherten beweisen, dass keine BU mehr besteht.